LG München: negative "1-Stern"-Bewertung einer Kanzlei durch Prozessgegner unzulässig

Das Landgericht München hat sich mit der Frage befasst, unter welchen Umständen die Löschung einer negativen Google-Bewertung verlangt werden kann.

Geklagt hatte eine Kanzlei, die ihren Mandanten in mehreren familienrechtlichen Angelegenheiten gegen seine (jetzige) Exfrau vertrat. Während die Verfahren vor Gericht noch liefen, bewertete die Beklagte (die Exfrau) die Kanzlei ihres damaligen Mannes bei Google Maps mit einem "Stern", ohne weitere Textangaben zu machen.

Das LG München kommt in seinem Urteil vom 20.11.2019 (Az. 11 O 7732/19) zu dem Ergebnis, dass die Bewertung eine Meinungsäußerung darstellt, die jedoch auf einem Tatsachenkern beruht. Dieser sei hier erwiesenermaßen unwahr, so dass die Bewertung im Ergebnis einen unerlaubten Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstellt und zu unterlassen ist.

Während in anderen Fällen der negativen Bewertung von Ärzten oder Restaurants oft streitig war, ob der Bewertende überhaupt irgendwie in Kontakt mit der jeweiligen Dienstleistung gekommen war, stand hier fest, dass die Beklagte eigene Wahrnehmungen von der Arbeit der Klägerin hatte. Das Landgericht sah jedoch eine Besonderheit darin, dass die Bewertung einer Kanzlei galt und nicht durch einen Mandanten, sondern eine Gegnerin abgegeben wurde.

Das LG führt insofern aus:

"4.3.2.1. Richtig ist zwar, dass aufgrund einer getätigten Onlinebewertung nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Bewertende tatsächlich die bewertete Leistung in Anspruch genommen hat. Unschädlich ist vorliegend also, dass die Beklagte nie Mandantin der Klägerin gewesen ist. Eine so enge Auslegung würde dem tatsächlichen Aussagegehalt einer solchen Onlinebewertung nicht gerecht. Insbesondere können auch solche Personen relevante Bewertungen abgeben, die nicht direkt Vertragspartner des Bewerteten waren aber trotzdem in relevanter Weise mit der angebotenen Leistung in Kontakt gekommen sind.

4.3.2.2. Richtig ist folglich auch, dass eine Bewertung grundsätzlich auch dann zulässig ist, wenn keine Vertragsbeziehungen bestehen oder bestanden, die kundgetane Meinung jedoch auf tatsächlichen Anhaltspunkten, Erfahrungswerten und Bezugspunkten beruht. Dies wurde in der Vergangenheit von anderen Gerichten zurecht ebenso entschieden. Die Entscheidungen, die sich größtenteils auf die Bewertung von Ärzten oder Gastwirten bezogen, können jedoch nicht unreflektiert auf den vorliegenden Fall angewendet werden, da diese im Gegensatz zu Anwälten lediglich Dienstleister sind und nicht gleichzeitig auch Interessenvertreter oder Prozessbevollmächtigte.

4.3.2.3. Es muss berücksichtigt werden, dass die Klägerin eine Anwaltskanzlei ist. Ein Anwalt ist Interessenvertreter seines Mandanten, insbesondere bei Streitigkeiten mit anderen Parteien. Der Beruf des Anwalts bringt es folglich mit sich, dass regelmäßig andere Parteien in Rechtsstreitigkeiten den Anwalt als Gegner sehen. Erreicht ein Anwalt für seinen Mandanten das bestmögliche Ergebnis, ist dies oft mit einer zumindest gefühlten Niederlage auf der Gegenseite verbunden. Auf Grundlage dieser Erwägungen wird auch deutlich, dass die Onlinebewertung einer Anwaltskanzlei zwar nicht die Aussage enthält, der Bewertende sei Mandant der Kanzlei gewesen, jedoch, dass er sachbezogene Erfahrungen mit den von dieser angebotenen Leistungen gemacht hat und seine Bewertung nicht auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies kann beispielsweise, wie von der Klagepartei zutreffend ausgeführt, auch auf den Versuch, einen Termin zu vereinbaren, durch eine Reaktion auf eine schriftliche Anfrage oder eine vergleichbare Situationen zurückzuführen sein. Nicht jedoch auf Erfahrungen als Gegner eines Mandanten dieser Kanzlei. Durch die Bewertung behauptet die Beklagte folglich wahrheitswidrig mit, dass sie in einer für die Bewertung der angebotenen Leistung der Klägerin relevanten Art und Weise mit dieser in Kontakt gekommen ist, was sie als gegnerische Partei in einem Rechtsstreit mit einem Mandanten der Kanzlei jedoch nicht ist.

4.3.2.4. Bestätigt wird das, wenn man die Zielgruppe von Onlinebewertungen und die Motive der Sich-Informierenden betrachtet. Typischerweise werden sich solche Personen Bewertungen im Internet anschauen, die auf der Suche nach einem beratenden Anwalt sind oder in sonstiger Weise Interesse an der Anbahnung einer Vertragsbeziehung haben. Internetbewertungen von Kanzleien sind unter normalen Umständen grundsätzlich für Gegner in etwaigen Streitigkeiten irrelevant. Sie sind nur für solche Leute relevant, die frei wählen können, ob sie mit der bewerteten Kanzlei in Kontakt treten wollen oder nicht. Dies ist bei gegnerischen Parteien nicht der Fall. Folglich geht ein verständiger Betrachter davon aus, dass die Bewertenden in irgendeiner für ihn relevanten Weise, also gerade nicht als gegnerische Partei in einem von der Kanzlei geführten Verfahren, gleich ob als Partei oder Parteivertreter, mit dieser in Kontakt gekommen sind."

Aufgrund der besonderen Stellung einer Rechtsanwaltskanzlei kommt das Gericht also zu dem Ergebnis, dass Bewertungen jedenfalls nicht durch Gegner abgegeben werden dürfen, da diese regelmäßig nicht die Qualität der Dienstleistung, sondern das (durch sie negativ empfundene) Ergebnis der Auseinandersetzung bewerten. Anwaltskanzleien haben es daher leichter, negative Bewertungen löschen zu lassen, als bspw. ein Friseur oder ein Restaurant.

 

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